Kreta, Tag 6-7
8.10.

Nach frühem Frühstück kommt der Autovermietungsmensch und bringt den Kleinwagen vorbei. Bei überraschend schönem Wetter fahren wir zum ersten Mal nach Chania; der quirlige Samstagmorgenverkehr, vor allem Motorroller, die unbekümmert und ohne Abstand um einen herum schwärmen, und eine etwas lückenhafte Beschilderung fordern volle Konzentration. Schließlich erreichen wir eine Tiefgarage, die wohl ein schlauer Geschäftsmann als Touri-Falle aufgestellt hat. Wir ignorieren die Mondpreise und sind froh, das Auto abgestellt zu haben.
Was für eine Schönheit, diese Stadt! Seit knapp fünfeinhalb tausend Jahren siedeln hier Menschen, und alle möglichen Völker und Herrscher haben Spuren ihrer Kultur hinterlassen: Römer, Hellenen, Araber, Osmanen, Venezianer — all das fügt sich in einer Gelassenheit und Lebendigkeit zusammen, als habe es immer schon zusammen gehört. Vor allem die Altstadtgässchen mit ihren vielen kleinen Läden sind wunderbar, und selbst die touristische Vollverwertung kann der Schönheit des venezianischen Hafens nichts anhaben.

Wir schlendern natürlich erst einmal durch die große Markthalle, wo wir uns später vor der Heimfahrt mit Gebäck und frischem Fisch eindecken werden, und dann durch alle möglichen Altstadtgässchen, werfen den Blick in eine vor Ornamenten, Lüstern und Ikonen überbordenden orthodoxen Kathedrale, trinken einen Cappuccino in einer italienischen Eisdiele, bestaunen Hüte älterer englischer Urlauberinnen, schütteln uns ein wenig über die beworbene Fish Foot Spa Therapy oder so ähnlich, wo man die Füße in ein Bassin halten und von irgendwelchen Fischen abgestorbene Hautpartikel abnagen lassen soll (Isa hätte das sicher sofort gemacht Nachtrag: Isa hat es gemacht!), und ich kaufe in der arabisch anmutenden Ledergasse neue Sandalen.

Mittags zieht es zu, und auf dem Weg über die Markthalle finden wir auch noch einen Carrefour-Supermarkt, wo wir fürs Wochenende einkaufen (Sonntags sind die Läden komplett zu — für Mittelmeerländer auch eher ungewöhnlich) und feststellen, dass unsere Lebensmittel-Preisbeobachtung vom ersten Tag womöglich doch auch ein bisschen mit dem Phänomen kleiner Supermarkt in kleinem Örtchen zu tun haben könnte. Bleibt die Feststellung, dass auch Preise auf deutschem Niveau für die hiesige Bevölkerung immer noch ein Mehr an prozentualer Kaufkraft bedeuten.

Auf der Heimfahrt nachmittags zieht es schon zu; innerhalb kurzer Zeit wird es richtig stürmisch und es fängt an zu regnen. Wir braten uns eine große Dorade zusammen mit Knoblauch und Spinat und lassen eine Menge Mücken ins Apartment, mit denen ich mich in der Nacht noch länger vergnügen sollte. Auf der Fensterbank draußen rollt sich eines der streunenden Wohnanlagenkätzchen ein und schläft, geschützt vor Regen und Wind.

9.10.

Weiter sehr windig und wolkig, in einer Regenpause fahren wir ins nahe Kloster Agia Triada. Von außen eher eckig und unscheinbar, finden wir innen einen idyllischen Hof, Mauern und eschereske Treppen und Rundbögen ganz in warmen Orange-Braun-Tönen, mit farblich dazu passenden kleinen Katzen, vielen Blumen, Obstbäumen und kleinen Bänken, alles ganz wunderbar gestaltet und mit der entscheidenden Prise Unordnung, die man in einem vergleichbaren Kloster bei uns nicht finden würde, die es aber umso freundlicher und einladender machen. Die Klosterkirche (Fotografierverbot) wiederum bildmächtig voller großer und kleiner Ikonen und mit Blau und Sternen ausgemalten Kuppeln, dass man ganz demütig und still wird.
Wir fahren zu einem weiteren, nahe gelegenen Kloster auf einer schmalen Piste die Hügel hinauf, es ist aber über Mittag geschlossen, und als wir oben sind, fängt es so richtig zu regnen an; trotz Regenjacke macht es nicht mehr so wirklich Spaß, hier herumzulaufen, und wir beschließen, zurück nach Hause zu fahren und ein andermal zurückzukehren, um den Wanderpfad durch eine Schlucht vom Kloster bis runter zum Meer zu laufen. Am Parkplatz schneiden wir einige Bündel wilden Thymians ab, winzigblättrig und dickzweigig, dessen unglaubliches Aroma uns unmittelbar beim Öffnen der Autotür schon entgegenschlug.

Der Dorfstrand, an dem am Morgen noch ein paar Unbeirrbare gebadet hatten, liegt jetzt endgültig verlassen da, auch wenn die Strandbarbesitzerin weiter optimistisch Musik laufen lässt und einsam auf Kunden wartet.
Wir braten uns Koteletts mit dem Thymian, dazu gibt es Salat. Den Rest des Tages und Abends verbringen wir mit Lesen, Rätseln und Spielen, und in einer Regenpause sitzen wir unten an den Felsen und genießen den windigen Sonnenuntergang.

[giardino, Sonntag, 9. Oktober 2011, 17:17] 1996



isabo, Montag, 10. Oktober 2011, 13:22   (Permalink )
Aber hallo.

giardino, Mittwoch, 19. Oktober 2011, 16:11   (Permalink )
Das ist wirklich sehr lustig. Also die Sache selbst und dein Text sowieso, aber vor allem dass du die Fischtherapie ausgerechnet zur gleichen Zeit tatsächlich ausprobiert hast. :-)

isabo, Mittwoch, 19. Oktober 2011, 23:53   (Permalink )
Tatsächlich genau an dem Tag. Das ist wirklich lustig.