Tag 2
Morgens hämmert der Presslufthammer des Nachbarn, der offenbar altes Gemäuer für neues beseitigt. Verglichen mit dem Kind, das beim letzten Urlaub auf Gomera Abend für Abend in der benachbarten Musikschule stundenlang uninspiriert bei offenem Fenster auf ein Schlagzeug drosch, nicht sonderlich schlimm. Zumal es schon fast halb neun ist.

Aufstehen, frühstücken, einkaufen, Siesta, Abendessen, und wenn man an den Strand will, ist es überraschenderweise mit einem Mal dunkel — wir werden aufpassen müssen, dass unser Tagesablauf nicht so endet. Es ist aber auch mächtig heiß draußen.


Abtransport
Ich erschlage vom Bett aus eine Fliege mit einem Heft, sie fällt irgendwo runter. Keine zehn Minuten später blicke ich auf den Boden, da wuselt um sie herum ein Dutzend winzigster Ameisen. Verdammt, wo kommen die jetzt her? Gemeinsame Demontage, Flügel, Beinchen etc. werden einzeln abtransportiert und schließlich der Rumpf Zentimeter für Zentimeter abgeschleppt und unter eine kaum sichtbare Ritze an der Fußleiste gezerrt. Minuten später noch ein-zwei Patrouillen, danach sind sie wieder verschwunden. Faszinierend.

Dieser typische Seifengeruch frisch gewaschener italienischer Wäsche.

Am späten Nachmittag zum nächstgelegenen Strand. Dahinter steht eines der typischen Pinienwäldchen.

Porto Pino
Früher, so erzählt mir die Möwe, haben Familien hier Tücher zwischen die Bäume gehängt und so ein schattiges Plätzchen für den ganzen Tag geschaffen. Heute ist das alles abgezäunt, aus Naturschutzgründen. Oder vielleicht auch nur, damit man auf dem Strand die inzwischen breit aufgestellten mondbepreisten Liegen und Sonnenschirme mietet. Das Wasser ist unbewegt, sehr sehr flach und trotzdem arschkalt. Aber glasklar.

Denke darüber nach, ob das Verhältnis der Deutschen zu ihren Gastarbeitern vielleicht ein anderes gewesen wäre, wenn sie diese Landschaft kennengelernt hätten. Die freundlich-zurückhaltenden, gastfreundlichen Sarden. Dieses Essen probiert hätten. Es gab ja in Deutschland noch so viele Jahre kein Olivenöl, Knoblauch, Auberginen, anständige Tomaten, keinen italienischen Schinken, keinen Espresso und was nicht alles, das heute selbstverständlich ganze Märkte füllt und ohne das selbst ich mir kaum mehr vorstellen möchte zu leben. Wie weit weg muss man sich erst als Italiener (oder Spanier, Grieche, Türke, ...) damals noch von seiner Heimat gefühlt haben.

(seinerzeit gefunden bei Fr. Kaltmamsell)
Wäre das Verhältnis ein anderes gewesen? Hätten sich die Deutschen der 50er- bis 70er Jahre überhaupt dafür interessieren lassen, woher die meist kleinen, braungebrannten, dunkelhaarigen Männer und ihre Familien herkamen, die jetzt ihre Kohle heraufholten, ihren Stahl kochten, ihre Autos bauten und ihre Werksgebäude putzten? Ich bin mir nicht sicher, aber ich würde es gerne annehmen.
Stelle wieder fest, wie dankbar ich bin, dass es Europa gibt, dass ich Europäer bin, wie selbstverständlich ich in alle möglichen Länder reisen kann, mit dem selben Geld bezahlen und — das vor allem — mit einer Frau ganz ohne staatliche Bevormundungen zusammenleben, deren Familie aus einem ehemaligen Gastarbeiterland stammt.

Die erschlagende Breite von Keks-, Nudel- und Espressoregalen selbst in kleinsten italienischen Supermärkten — haben wir in Deutschland Vergleichbares? Suppenkonserven oder Schokolade vielleicht?

Zum Abendessen gebratene Auberginen und Salat.
  

[giardino, Samstag, 13. Juni 2009, 01:30] 846