Brain Waste
Margarete Bause, Fraktionschefin der Grünen im Landtag war vor wenigen Wochen mit einer Delegation des Landtags in Kanada. In Quebec informierten sich die Landespolitiker, allen voran Landtagspräsident Alois Glück von der CSU, über das Thema Integration. Was dann folgte, wird Margarete Bause so schnell nicht vergessen:

»Wir wurden dort begrüßt von einer Mitarbeiterin im schönsten Bairisch mit ›Grüß Gott‹, und sie hat uns einen Vortrag gehalten über die Integrationspolitik in Kanada auf fließendem Deutsch, hat auf alle Fragen hervorragend und klug geantwortet.

Insbesondere die Kollegen der CSU waren also sehr angetan von den Kompetenzen dieser Dame und haben sie gefragt, wo sie herkommt und wieso sie denn so fließend deutsch spricht. Und dann sagte sie, sie käme aus dem Kosovo und habe sechs Jahre in München gelebt und gearbeitet als Altenpflegerin. Und dann hat Herr Glück gesagt, ›Und wieso sind Sie jetzt in Kanada?‹ Und dann hat sie ihn angeguckt und gesagt: ›Sie haben mich ausgewiesen.‹«
Natürlich sollten Zuwanderer ihre Ausbildungs- und Berufsabschlüsse nachweisen, wenn sie in den hiesigen Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Aber es drängt sich der Eindruck auf, dass, was eigentlich eine Formalität sein sollte, in Deutschland bewusst als Instrument eingesetzt wird, um Zuwanderer abzuschrecken und klein zu halten — wenn man ihnen überhaupt die Chance gegeben hat, hier zu bleiben und sie nicht sogar vorher abgeschoben hat so wie die Kosovarin aus dem Zitat. Abgesehen davon, dass es an allen Ecken und Enden fehlt: Differenzierte Erfassung statistischer Daten (Abschlüsse und berufliche Qualifikationen von Zuwanderern werden teilweise nicht einmal erfasst, oder auf unbrauchbare Weise mit denen von sogenannten Bildungsinländern vermischt usw.), Ermittlung und Bewertung ausländischer Qualifikationen (global wie invidividuell), Beratung der Migranten, um sich im deutschen System zurechtzufinden, Beratung von Unternehmen, um Qualifikationen eingewanderter Bewerber einschätzen zu können und vieles mehr. Andere Länder in der EU sind uns da meilenweit voraus.

So kommt es auch, dass in Schweden beispielsweise 79% der Menschen sagen, dass Einwanderer einen großen Beitrag für das Land leisten. In Deutschland sind es 30%. Ich bin davon überzeugt, dass hier Ursache und Wirkung schwer zu trennen sind: Die geringe Anerkennung von Einwanderern in Deutschland führt dazu, dass man ihnen keinen adäquaten Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt, was wiederum dazu führt, dass sie oft gezwungenermaßen das Vorurteil erfüllen, doch nur für minderqualifizierte Tätigkeiten geeignet zu sein.

Und so kommt es zum Beispiel, dass ein nach Deutschland geflohener irakischer Physiklehrer, der sogar schon jahrelang auf Englisch unterrichtete, heute unfreiwillig als Gärtner arbeitet. Was aber bei den Behörden niemanden zu interessieren scheint, obwohl Leute mit seiner Qualifikation auch in Bayern händeringend gesucht werden. Eine »Lose-Lose«-Situation, bei der unter dem Strich alle Seiten verlieren, die zugewanderten Menschen wie auch unser Gemeinwesen, dem wichtige Qualifikationen, Arbeitsplätze — selbständige Migranten schaffen durchschnittlich 5, deutsche Selbständige nur 2 Arbeitsplätze — und nicht zuletzt Steuereinnahmen verloren gehen. Alles nachzulesen in der sehr lesenswerten und lesbaren Studie Brain Waste von Bettina Englmann und Martina Müller.

Wem das verständlicherweise zu detailliert ist, dem empfehle ich den etwa viertelstündigen Radiobeitrag, aus dem das lange Zitat oben stammt; er führt anschaulich ins Thema ein: Einfalt statt Vielfalt.

Der Radiobeitrag wurde übrigens von BR-Journalist Julio Segador verfasst und gesprochen, der selbst als Sohn eines spanischen Gastarbeiters in Regensburg aufgewachsen ist. In einem Kurzportrait an anderer Stelle lässt er seinen sehr sympathischen Vater zu Wort kommen: Mein Vater, Gastarbeiter der 1. Generation.

[giardino, Freitag, 14. August 2009, 00:20] 1788



schmerles, Dienstag, 18. August 2009, 11:04   (Permalink )
Danke für den Hinweis. Wenn das auf B5 gesendet wurde, ist es auch vielleicht in der bekannten Endlosnewsschleife 3,4 mal am Tag durch den Äther geschwappt und hat einige erreicht.