Liebe Frauen in Sozialberufen,
— entschuldigt, dass ich euch so anspreche, es kann sein, dass das Folgende auch auf Männer in Sozialberufen zutrifft, aber dazu kenne ich zuwenige — wie kommt es, dass ihr das mitmacht? Ihr lasst euch Vollzeitstellen mit halber Bezahlung andrehen, weil »der Laden ja sonst in Chaos ausbricht«, Sozialpädagoginnen (Hochschulstudium) lassen sich wie Erzieherinnen (3jährige Ausbildung) bezahlen, Erzieherinnen wie Kinderpflegerinnen (1-2jährige Ausbildung), ihr lasst euch auf umfangreiche Leitungsjobs mit 10-Stunden-Verträgen ein, gerne auch mal auf neun Monate befristet, auf 24h-Dienste oder weitgehend unbezahlte Stunden des Rumfahrens zwischen Klienten in ländlichen Gebieten, ihr akzeptiert Vollzeitstellen für 1800 brutto, ihr habt keine Ahnung von Tarifsystemen und wisst nicht nur nach dem Vorstellungsgespräch nicht, wieviel ihr verdienen werdet, sondern nicht einmal wenn ihr schon angefangen habt zu arbeiten. Weil es ja peinlich ist zu fragen. Weil man die Arbeit ja schließlich gerne machen will, wie sieht es denn da aus, nach Geld zu fragen. Und die euch einstellen, die Armen können ja schließlich auch nichts für die Vertragsmodalitäten und die Bezahlung, weil das ja von oben vorgegeben ist, vom Träger, der Schulbehörde, der Klinik oder großen Schulungsfirma.

Und so lange ihr nicht nachfragt, alles mitmacht, euch auch als Mittedreißigjährige noch wie 20jährige Berufsanfängerinnen behandeln und bezahlen lasst oder wie gut abgesicherte Gattinnen von Gutverdienern, die halt noch »was Soziales« für ihre Selbstverwirklichung tun müssen, so lange ihr so tut, als seien Entlohnung und Arbeitsbedingungen doch nebensächlich, so lange ihr nur mit Menschen arbeiten dürft, so lange werden sie euch verarschen und verarschen und verarschen.

[giardino, Montag, 7. September 2009, 11:11] 968



giardino, Montag, 7. September 2009, 18:55   (Permalink )
Bekomme gerade die Rückmeldung, dass die Erzieherausbildung je nach Bundesland auch vier (Wikipedia nennt sogar fünf) Jahre dauern kann.

jammernich, Montag, 7. September 2009, 19:04   (Permalink )
Das klingt alles nicht schön, aber warum machen Sie sich deswegen so einen Kopf? Wir reden doch von erwachsenen Menschen, oder?

giardino, Montag, 7. September 2009, 19:18   (Permalink )
Eben drum! Eben drum! Ich verstehe es nicht. Verstehe einerseits nicht, wie hier in der Gesellschaft die wahrgenommene Wichtigkeit sozialer Dienste immer weiter steigt (Altenpflege, Kinderbetreuung, Sozialarbeit, Förderung von Jugendlichen, Drogenprävention, Integration Behinderter etc. pp.), ebenso die Ansprüche an die Ausbildung (beides sehr zu begrüßen), real aber Löhne gekürzt werden.[*]

Verstehe andererseits nicht (und darüber habe ich mich heute aufgeregt), warum das alles von den Betroffenen geschluckt wird. Sie sich, anstatt den Stinkefinger zu zeigen, Gedanken um die Aufrechterhaltung des Dienstes machen, so als wären sie selbst das Problem und nicht fehlende Gelder und Anerkennung ihrer Arbeit. Denen es unangenehm ist, beruflichen Ehrgeiz zu zeigen, sobald damit Ansprüche an Karriere oder Bezahlung sichtbar werden könnten.

Was ist das für ein berufliches Selbstverständnis?

Und ganz so, als wenn das nur das Privatproblem von immerhin erwachsenen Menschen sei, ist es ja auch nicht. Da geht es ja nicht drum, irgendwelche Waren herzustellen oder zu verkaufen, sondern um Dienst am Menschen. Dafür braucht die Gesellschaft gut ausgebildete, sozial abgesicherte Kräfte.

[*] Zunehmend bleiben Pädagogen und Erzieher auf ihren Stellen sitzen, weil jeder Jobwechsel mit einer realen Zurückstufung und einem Wechsel in die Befristung verbunden wäre.

giardino, Montag, 7. September 2009, 19:33   (Permalink )
(Eine Erklärung, warum mir das nicht ganz wurscht ist, könnte natürlich zudem sein, dass geschätzt 75% der weiblichen Personen in meinem familiären und freundschaftlichen Umfeld Frauen in Sozialberufen sind. ;)

bluetenstaub, Montag, 7. September 2009, 20:39   (Permalink )
Vielleicht machen die das gar nicht deshalb mit, weil sie von Berufs wegen naive, idealistische Träumerchen sind, sondern weil sie in ihren Arbeitsfeldern keine Alternativen haben?
Vielleicht machen sie das mit, weil es besser ist, als keine Arbeit zu haben?
Vielleicht sind sie gezwungen, das mitzumachen, weil ihre Berufe entsprechend wenig Anerkennung (vor allem finanzieller Art) erhalten? Sind sie daran dann selbst schuld oder nicht doch eher die Gesellschaft, in der wir leben?

„Dass sich Sozialpädagoginnen wie Erzieherinnen bezahlen lassen.“ Ich bin keines von beidem, aber eines kann ich Ihnen mit Gewissheit sagen: Das Wörtchen lassen ist hier völlig fehl am Platz, vermittelt es doch den Eindruck, man hätte eine Wahl. Und genau diese hat man oft nicht. Eine Stelle wird mit einer bestimmten Tarif-Eingruppierung ausgeschrieben. Da ist nichts mit Verhandeln oder Angaben von Gehaltswünschen, wie in der freien Wirtschaft üblich. Die Personaler des ÖD oder der Kirchen würden Sie auslachen.

Und dass man sich als Arbeitssuchende(r) dann eben auch mal auf Stellen bewirbt, die finanziell weniger attraktiv sind, ist das nicht eher lobens- statt verachtenswert? Seid doch froh, dass es noch Leute gibt, die diese Jobs für wenig Geld machen. (Nicht weil sie das cool finden, wohlgemerkt.) Oder was wäre man ohne Erzieher, Kinderpfleger und Sozialarbeiter? Ich will es mir nicht ausmalen.

Was soll man denn um Himmels Willen machen, statt die 1800 brutto zu akzeptieren, wenn sie dem gültigen Tarifvertrag entsprechen? Beim Vorstellungsgespräch auf dem Boden rumrutschen und „bitte bitte“ sagen? Pardon, aber diese Vorstellung ist in meinen Augen naiv. Klar, man könnte sich natürlich auch zuhause den Hintern auf dem Sofa platt sitzen.

Und dass die meisten keine Ahnung von Tarifsystemen haben – das ist wohl eher ein Vorurteil. Ich kenne einige, die in sozialen Berufen (ich mag diesen Ausdruck nicht sonderlich, mir fällt aber auch nichts Passenderes ein) arbeiten. Ich zähle mich nicht dazu, aber das ist wieder eine andere Geschichte, die hier nicht relevant ist. Jedenfalls: Glauben Sie mir, die BAT-, TVöD- und TV-L-Gehaltstabellen können wir nahezu im Schlaf aufsagen. Immerhin wartet man ja sehnsüchtig auf die in drei, vier Jahren statt findende Gehaltserhöhung von 70 Euro brutto.

Dass die, die einstellen, nicht immer diejenigen sind, die über Stellenzuweisungen entscheiden, das ist nun mal in machen Berufszweigen so. Kein Märchen, sondern Realität. Auch wenn man sich das in der freien Wirtschaft nicht vorstellen kann. Die Chefs vor Ort können leider nicht sagen: „Och, die Frau Y., die mag ich so, komm, der zahlen wir mal 100 Euro mehr monatlich.“ – Oder: „Ach mensch, die Befristung, die streich ich mal aus dem Vertrag, das ist doch so eine Nette, die Frau X.“ Das ist einfach Blödsinn, denn diese Befugnis haben sie nun mal nicht.

Glauben Sie mir, ich bin der festen Überzeugung, dass ich ein sehr gutes Gehalt durchaus verdient habe. Und ich hätte auch keinerlei Schwierigkeiten damit, meinem Chef das so vorzutragen. Meine Bescheidenheit hält sich diesbezüglich in Grenzen. Ich mache meinen Job (meistens) ganz gerne, und ich werde auch liebend gerne gerecht dafür entlohnt. Das Problem ist nur: Es gibt keinen Verhandlungsspielraum, was das Gehalt betrifft. Auch wenn mich der Chef noch so lieb hat.

kid37, Montag, 7. September 2009, 22:35   (Permalink )
Vielleicht wäre es aber transparenter, wenn es genau so und unromantisch auch verkauft würde. Aber was man da manchmal an Gemauschel z.B. im ambulanten Bereich hört, wo eben nicht gesagt wird "Wegezeiten? Zahlen wir nicht" sondern: "Wegezeiten? Klar, zahlen wir drei Minuten pro Klient", geht doch auf keine Kuhhaut. Oder das Verketten befristeter Verträge (über das Erlaubte hinaus?). - Ja, die Verhältnisse sind so, friß oder stirb, und ich würde es erstmal nicht anders machen. Aber sehr lauten Protest hört man eben auch nicht. (Wie hoch ist eigentlich der gewerkschaftliche Organisierungsgrad in dieser Berufsgruppe?)

(Das ganze ließe sich aber auch auf andere Berufsgruppen wie (freie) Journalisten übertragen. Auch da gibt es einen Tarif. Und eine Wirklichkeit.)

bufflon, Montag, 7. September 2009, 22:35   (Permalink )
.

Volle Zustimmung, Frau Blütenstaub.

giardino, Dienstag, 8. September 2009, 14:43   (Permalink )
Ah, endlich mal Leben in meiner verstaubten Blogbude. ;)


@bluetenstaub

Sie haben völlig recht, schuld an der miesen Bezahlung und den zum Teil wirklich lächerlichen Vertragsbedingungen sind die Betroffenen nicht. Das zu behaupten wäre eine polemische Umkehrung der tatsächlichen Verhältnisse.

Und dass man sich als Arbeitssuchende(r) dann eben auch mal auf Stellen bewirbt, die finanziell weniger attraktiv sind, ist das nicht eher lobens- statt verachtenswert? Seid doch froh, dass es noch Leute gibt, die diese Jobs für wenig Geld machen.

Sorry, ich finde das nicht lobenswert. Ich finde es eine Schande, wenn Leute teilweise dazu gezwungen sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass mittel- und langfristig niemand davon etwas hat, die jeweilige Klientel nicht, auch nicht die beschäftigende Einrichtung, die Gesellschaft nicht (die diese Arbeit meist über Steuermittel finanziert) und die betroffenen Mitarbeiter schon gar nicht. Nein, ich bin nach wie vor alles andere als froh darüber. Und sie stützen weiterhin das System. »Guck mal, funktioniert doch noch alles prima!«

Wo endet denn diese Entwicklung? Wie soll das noch weitergehen? Wie soll denn die eigentliche Arbeit, die z. B. nicht selten eine vertrauensvolle Bindung über Monate oder Jahre zwischen Mitarbeiter und Klienten (ich nehme jetzt mal dieses blöde Wort, weil es am allgemeinsten ist) erfordert, funktionieren, wenn allein schon ständige Stellenbefristungen dazwischenfunken? Wie sollen diese Berufe die hervorragenden Leute anziehen, die es braucht, um sie zu leisten, die auch neue, wirksame Antworten für die Herausforderungen der immer komplexeren Lebenswirklichkeiten der Menschen entwickeln, wenn man teilweise selbst nach Berufsausbildung, nachgeholter Hochschulreife und schließlich Studium kaum in der Lage ist, eine Familie davon zu ernähren?

Oder was wäre man ohne Erzieher, Kinderpfleger und Sozialarbeiter? Ich will es mir nicht ausmalen.
Erst, wenn wirklich fast keiner mehr Erzieher, Kinderpfleger oder Sozialarbeiter werden will, oder nur noch Leute, die man eigentlich nicht guten Gewissens einsetzen wollte, vielleicht wird erst dann ein Umdenken einsetzen? Welche Alternative sehen Sie, die Wahrnehmung und gesellschaftliche Wertschätzung dieser Arbeit so zu steigern, dass sie sich entsprechend in Euro ablesen lässt?

Ich bin davon überzeugt, dass manche Entwicklungen - so schlimm das für die einzelne Einrichtung zum Beispiel sein mag - erst dann gestoppt werden, wenn genügend Menschen den Karren vor die Wand fahren lassen, alla grande. Nicht mehr mitspielen. Sich andere Jobs suchen.

Und sich, sofern sie bereits in einer sozialen Einrichtung arbeiten, nicht die Butter vom Brot nehmen ließen. Ich glaube genügend Einblick zu haben, um sagen zu können, dass das kein reines Vorurteil ist, dass — vielleicht weniger in bestimmten Berufsgruppen wie z. B. Lehrern, aber doch in einigen wie z. B. Erzieherinnen und vielleicht auch speziell eher Frauen als Männer — viele eine seltsam wenig selbstbewusste Einstellung zu Geld und Karriere haben, und sich allzuschnell mit ihrem Arbeitgeber und seinen finanziellen und organisatorischen Nöten solidarisieren. Vielleicht eine Kehrseite der meist eher an menschlichen Grundwerten als an Geld orientierten Berufswahl.

bluetenstaub, Mittwoch, 9. September 2009, 17:54   (Permalink )
Herr Kid, ich weiß nicht, wie andere ihren Job verkaufen. Ich spreche offen über die ungeschönte Job-Realität. Dauergejammere ist mir aber auch zuwider. Das erlebe ich bei Kollegen viel zu oft, und das zieht unglaublich runter und raubt einem die Freude am Beruf. Muss nicht sein.

Der gewerkschaftliche Organisierungsgrad ist meines Wissens nicht sehr hoch. Ganz im Gegensatz zu bspw. Lehrern. Dementsprechend besser stehen diese auch finanziell da. Ich könnte mir schon vorstellen, dass ein breiteres gewerkschaftliches Engagement ein möglicher Ansatzpunkt wäre, um die Rahmenbedingungen zu verbessern.

Herr Giardino, ich verstehe, dass es einen lauteren Protest bräuchte, um eine höhere gesellschaftliche Anerkennung, die sich auch finanziell bemerkbar macht, zu erreichen. Ich stimme Ihnen zu, dass es wichtig wäre, unterbezahlte Jobs nicht mehr anzunehmen, sodass Arbeitnehmer schlicht niemanden mehr finden, der sich für ein Taschengeld versklaven lässt.
Aber aus Perspektive des einzelnen Arbeitnehmers bzw. Arbeitssuchenden betrachtet: Hätte ich die Wahl zwischen mies bezahltem Job und Arbeitslosigkeit – ich würde immer den Job wählen. Hartz4 wäre niemals eine Alternative für mich, auch nicht für ein hehres Ziel, wie das oben genannte. Denn: „Sich andere Jobs suchen“, wie Sie schreiben. Was sollte das denn sein, wenn man eine solch spezifische Ausbildung hat? Wo sollte man z.B. mit einer Ausbildung zur Erzieherin in der freien Wirtschaft unterkommen? Seien wir doch ehrlich: Es würde in der Arbeitslosigkeit enden.

Ich kenne die Problematik, dass Bewerber für Berufe im sozialen Bereich immer „grenzwertiger“ werden – sprich: immer schlechtere Allgemeinbildung, immer schlechteres Sozialverhalten. So schlecht, dass man sich manchmal schon überlegen muss, ob man die „auf Menschen loslassen“ kann. Natürlich hängt das mit der miserablen Bezahlung zusammen. Wenn man bei Da*mler am Band das doppelte Gehalt ohne Ausbildung bekommt, warum sollte man dann – gerade als Mann – Erzieher oder Kinderpfleger werden? (Hier eine 4- bzw. 3jährige Ausbildung, die lediglich im letzten Jahr geringfügig vergütet wird.)

Welche Alternative sehen Sie, die Wahrnehmung und gesellschaftliche Wertschätzung dieser Arbeit so zu steigern, dass sie sich entsprechend in Euro ablesen lässt?

Ich sehe im Moment keine. Ein höheres gewerkschaftliches Engagement wäre sicher hilfreich, aber bestimmt nicht der alleinige Schlüssel zum Glück.

kid37, Mittwoch, 9. September 2009, 18:11   (Permalink )
(Nachsatz: Mit "Verkäufern" meinte ich die Arbeitgeber, die die beschriebenen Mißstände schönreden. So wie Herr Giardino es auch ausführte.)

violinista, Montag, 7. September 2009, 20:59   (Permalink )
Noch schlimmer, wenn man wie ich sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Da spielt man schon auch mal für 'ne Pizza oder 'ne Flasche Sekt. Ich glaube kaum, dass in irgend einem anderen Berufszweig so oft "für den guten Zweck" gearbeitet wird.

pappnase, Montag, 7. September 2009, 21:55   (Permalink )
eine grossartige frage.
eine einfache antwort.
dem grossteil der gesellschaft geht der von ihnen beschriebene berufsstand am arsch vorbei.

bluetenstaub, Montag, 7. September 2009, 21:59   (Permalink )
*

pappnase, Montag, 7. September 2009, 22:52   (Permalink )
ich erfreue mich ja all der angehörigen von etwa hirnkomapatienten oder schlaganfallopfern, unfall- oder überfallgeschädigten, die bis dahin in einer sehr vornehmen welt lebten und dann der ganzen hilflosigkeit gewahr werden.
plötzlich in demut sich zu üben oder gar dankbar zu sein, das ist herrlich zu erleben und mit keinem euro zu erstzen.
ganz schnell setzt mitunter eine nicht erwartete läuterung ein...

giardino, Dienstag, 8. September 2009, 14:53   (Permalink )
Ja. Die Entwicklung des Berufsstandes in den letzten Jahrzehnten, weg von Verwahrung und übergestülpter Regulierung, hin zu patienten- (bzw. schüler-, klienten- etc.) zentrierter Arbeitsweise unter Einbeziehung seines sozialen Umfelds, die zunehmende Ergebnisorientierung psychologischer Beratung (weg von nutzloser Analyse) und so weiter, das ist zu einem großen Teil an der Bevölkerung vorbeigegangen, die weiter dem schönen Sozialpädagogen-, Lehrer-, Pfleger- und Jugendamtbashing von vor dreißig Jahren frönt.

"Erziehung", "Pflege", "Beratung" — kann man doch alles selbst, weiß man doch alles besser. Und die problematischsten Kinder und Alten unserer Gesellschaft sperrt man ohnehin am besten für den Rest ihres Lebens weg. Weggucken und Verstecken statt Handeln. (Findet im Übrigen ja auch unsere Familienministerin.)

frau g, Montag, 7. September 2009, 22:21   (Permalink )
Sollte man in einer Universitäts-Klinik arbeiten, ist das Gehalt schon vorbestimmt. Beförderungen mit Gehaltserhöhung sind nicht so üppig vorhanden. Nein, wenn ein Arbeitsplatz aus Altersgründen oder vielleicht sogar durch Kündigung verlassen wird, wird dieser nicht unbedingt wieder besetzt oder erst nach Ablauf von 3 - 6 Monaten.
Dann kommt irgendwann ja auch das Problem mit dem Alter. Da sucht man nicht mehr aus, da wird allenfalls ausgesucht. Also, steckt man doch sehr viel ein, bevor man arbeitslos ist.

giardino, Dienstag, 8. September 2009, 14:55   (Permalink )
Ja. Diese Zwänge wollte ich keineswegs kleinreden.

vert, Dienstag, 8. September 2009, 01:48   (Permalink )
am besten sind die christlichen arbeitgeber: mit dem gotteslohn wird der zehnt gleich einbehalten, denn ungefähr soweit liegen die diakoniegehälter unter den öffentlichen.

[das ist toll mit den wechselnden bildern im header!]

giardino, Dienstag, 8. September 2009, 15:02   (Permalink )
Hm. Die meisten kirchlichen Arbeitgeber (es gibt sicher Ausnahmen wie z. B. auf katholischer Seite auch Kolping) zahlen aber meines Wissens entsprechend TVöD.

[Danke. Ich mag das auch immer noch sehr.]

vert, Dienstag, 8. September 2009, 15:11   (Permalink )
vor dem hintergrund, dass die im link angesprochenen häuser von den größten diokonischen anstalt europas betrieben werden, hat der lohndruck wohl einige breitenwirkung.
die betreiber behupsen die belegschaft gerade nach strich und faden und es ist wohl schwer, etwas zu mobilisieren. aber es passiert auch nicht nichts - streik in der diakonie wird zwar von oben schlichtweg geleugnet (mit der begründung, das sei der diakonie "wesensfremd" - die haben chuzpe!), kommt aber wohl mittlerweile vor.
hoffentlich schießen die verantwortlichen sich mit dieser frechen kommunikation, die die beschäftigten sehr wohl aufregt, mächtig ins knie. anscheinend arbeitet man wohl durchaus für gotteslohn, will sich aber nicht auch noch verhöhnen lassen.

giardino, Dienstag, 8. September 2009, 15:28   (Permalink )
Das ist der Vorteil der großen Einrichtungen; immerhin gibt es dort schon auch mal Mitarbeitervertretungen, die den Mund aufmachen. Ich hoffe, der Arbeitgeber schießt sich da mal so richtig in den Fuß, damit eine größere Debatte entsteht, ob nicht missbrauchte Kirchenprivilegien aus dem Arbeitsrecht zu streichen sind.

ichichich, Dienstag, 8. September 2009, 12:34   (Permalink )
Man findet das auch zunehmend im akademischen Mittelbau der Universitäten. Denn hey: Forschen ist eine Leidenschaft und Wissenschaftler sind immer im Dienst.

giardino, Dienstag, 8. September 2009, 15:39   (Permalink )
Ich finde sowieso, dass Menschen, die etwas ohnehin gerne tun, nicht auch noch dafür bezahlt werden müssen. (Gilt erst recht für Frau Violinista, gell.)

kid37, Mittwoch, 9. September 2009, 13:51   (Permalink )
Spon schlägt in eine ähnliche Kerbe.

bluetenstaub, Mittwoch, 9. September 2009, 17:18   (Permalink )
Aber auch in diesem Artikel geht es nicht um Jobs in der sozialen Branche bzw. im öffentlichen Dienst, denn es wird abermals fälschlicherweise davon ausgegangen, man könne in jedem Job über das Gehalt verhandeln.

kid37, Mittwoch, 9. September 2009, 18:09   (Permalink )
Ich denke, ein Aspekt ist aber auch die Haltung dazu (s.o., Stichwort "Organisierungsgrad"). Ein erster Schritt wäre ja schon getan, die vielleicht bei einigen vorhandene Selbstlüge zu erkennen. ("Ich mach's gern, auch für umme, geht ja um die Sache.") Vielleicht ist diese "Demutshaltung" schon vergleichbar.

(Außerdem, mal ketzerisch: Wenn viele Einrichtungen eben nicht Tarif bezahlen, könnte das Gehalt ja theoretisch auch drüber liegen ;-))

bluetenstaub, Mittwoch, 9. September 2009, 18:17   (Permalink )
Ja. Zustimmung. Aber bitte auf dem Boden bleiben. Und nicht sofort nach einem mit studierten Grundschullehrern vergleichbaren Gehalt schreien, wie das beim letzten Streik der ErzieherInnen getan wurde. Da wurde doch etwas übers Ziel hinausgeschossen. ;) (So wird man meiner Meinung nach nicht ernst genommen.)

(Das ist natürlich wahr! Dieses Phänomen - nicht nach Tarif zu bezahlen - kenne ich allerdings nicht.)

nevesita, Donnerstag, 10. September 2009, 16:03   (Permalink )
Ich habe das Gefühl, ich muss jetzt für eine Entscheidung büßen, die ich vor 20 Jahren getroffen habe. Damals bin ich tatsächlich mit so einer naiven Einstellung in das Sozialpädagogik-Studium reingetappt, wie Sie es darstellen. Ich wollte wirklich "was mit Menschen machen" und habe mich nicht viel darum geschert, wie diese Berufe bezahlt werden. Das hat sich schon während des Studiums verändert und ich mach jetzt schon seit einigen Jahren (mit einer Befristung nach der anderen) "was mit Medien und mit Pädagogik", was ganz gut bezahlt ist. Aus vielerlei Gründen würde ich gerne den Job wechseln, aber (noch) bin ich nicht bereit, mich auf die klassisch mies bezahlten Soz-Päd-Stellen zu bewerben. Also verharre ich, wo ich bin und bruddel rum, aber das ist ja auch kein Zustand.

Und glauben Sie mir, alle Soz-Päds, mit denen ich zu tun habe, ob Männer oder Frauen, kennen sich sehr gut mit dem Tarifsystem im öffentlichen Dienst oder den kirchlichen Anlehnungen aus. Allein, was hilft's, wenn alle diese Stellen so schlecht eingruppiert sind. Im übrigen bin ich zum Beispiel gewerkschaftlich organisiert, aber im öffentlichen Dienst ringen wir zur Zeit hauptsächlich darum, dass sich die Bedingungen nicht noch mehr verschlechtern.

badschandex, Samstag, 12. September 2009, 09:55   (Permalink )
Herr Giardino, es sind ja nicht nur die Sozialberufe. Und es sind auch nicht nur Frauen. Im Medienbereich wurde der Begriff "Generation Praktikum" geprägt, und in der Wissenschaft schaut es nicht besser aus. Da turnen auch Männer Ende Dreißig noch ohne jede soziale Absicherung herum in der Hoffnung auf eine Professur irgendwo in der Provinz am anderen Ende der Republik, die sie so mit Anfang, Mitte Vierzig antreten könnten.

Ich glaube, wirklich ändern wird sich das erst, wenn die Leute anfangen, ihre Arbeitskraft den nämlichen Arbeitgebern zu entziehen. Nicht nur über gewerkschaftliche Organisation und Streiks (obwohl das sicherlich auch ein guter Anfang wäre), sondern indem sie diese Karrieren gar nicht erst einschlagen. Ansätze dazu gab's vor zehn Jahren schon mal in der Wissenschaft; da waren die Unis auf das Platzen der Internetblase angewiesen, um die ersten Juniorprofessuren zu besetzen. 1999 gab es für die letzten Habilstellen kaum Bewerber.

Aber man muss auch sehen, dass das Ansehen aller dieser Berufsfelder --- Wissenschaft, Medien und Sozialbereich --- immer noch außerordentlich hoch ist, und sich Abiturienten, häufig schlecht informiert, vom generellen Ansehen des Wunschberufs beeindrucken lassen. Das treibt immer neue Bewerber in diesen Teil des Arbeitsmarkts.

arboretum, Samstag, 12. September 2009, 11:53   (Permalink )
Die Abiturienten haben eben noch nicht mitbekommen, dass Journalist auch ein Frauenberuf wird und entsprechend die Bezahlung und oft auch die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden.