Eine Woche China: Shenzhen (Tag 3)
Ich wache auf, draußen ist es bedeckt.
Im Bus ist es nur voll, aber am Messezentrum brechend voll. Ich hatte am Vortag einen Illy-Stand auf der Messe entdeckt; der Espresso hätte in einer echten italienischen Bar kaum besser sein können. Nachdem ich auf das chinesische Hotelfrühstück ohnehin gut verzichten konnte, war klar, dass das mein Frühstück für die kommenden Tage sein würde, mit einem Becher Cappuccino und Donut dazu. Dass beides zusammen mit 50 RMB (ca. 6,25 €) soviel kostete wie anderswo zwei Mittagessen, war mein täglicher kleiner Luxus.

Was mir in Shenzhen auffällt (und was in Shanghai nicht anders sein würde): Jeder scheint hier ein Smartphone zu haben, und zwar zuallermeist eines der neuesten Galaxys oder Iphones. Und alle scheinen auf Schritt und Tritt damit zu texten. Dazu gibt es eine Art Schreibfläche im unteren Bereich des Displays, auf der mit dem Finger Schriftzeichen gekrakelt werden. Das Handy schlägt schon während der Eingabe ein paar wahrscheinlich gemeinte Zeichen vor, von denen man das richtige per Fingertip auswählt. Ältere, herkömmliche Handys habe ich nicht einmal gesehen. Und mit jeder meine ich nicht nur uns Businesskasper auf der Messe, sondern ganz normale, auch nicht so gut situierte Leute allen möglichen Alters auf der Straße.

Mittags gehen wir diesmal außerhalb des Messezentrums in ein kleines Lokal, in dem angeblich "Hongkong Style" gekocht wird. Auch ohne den Unterschied zu kennen, schmecken das Rindfleisch mit dem Gemüse und dem Reis hervorragend. Benutze weiterhin krampfhaft (!) die Stäbchen. Habe den Eindruck, schon besser zu werden.
Diese Messe ist deutlich bunter und lauter als alles, was ich bisher kannte, und auch unsere eigenen Firmenvideos, die auf dem Screen am Stand laufen, sehen deutlich anders und, ähm, kreativer aus als das, was unsere Corporate Communication Guideline sonst so vorgibt. Zwei verschiedenen Ständen hatten die Idee, das Interesse an ihren technischen Produkten mit weiblichen Models zu steigern, die jeweils alle 1-2 Stunden auf einer kleinen Bühne in sehr kurzen Kleidern mit elektrischen Violinen zu irre lauter Playbackmusik so taten, als würden sie fideln. Ich weiß nicht, ob dadurch letztlich mehr oder bessere Interessenten geworben wurden, jedenfalls entstand immer eine riesige Menschentraube mit auf die Fake-Violinistinnen gerichteten Smartphones.

Draußen ist es noch schwüler als am Tag zuvor, 26 Grad, und zwischendurch regnet es sogar leicht, woraufhin vor dem Messezentrum wie aus dem Nichts lauter Verkäufer und Verkäuferinnen von Regenschirmen auftauchen. Wo viel Publikumsverkehr herrscht, ob auf der Straße oder drinnen auf der Messe, gibt es sowieso ständig Leute, die einem etwas anbieten. Drinnen vor allem Broschüren, draußen eben Regenschirme, oder Messeausweise, oder Fahrten mit unregistrierten Taxis, oder... Ich bin sehr erleichtert, dass ein freundliches, leichtes Kopfschütteln in fast allen Fällen ausreicht, um nicht weiter behelligt zu werden.

Messeende
Den Abend möchte ich ganz gerne ohne Kollegen verbringen und muss zudem auch ein paar Mails aus Deutschland beantworten, so schließe ich mich den Kollegen diesmal nicht an, die schon wieder gemeinsam essen gehen wollen. Stattdessen versorge ich mich aus praktischen Überlegungen im nächstgelegenen McDonalds. Ein Big-Mac-Menü kostet hier 27 RMB (keine 3,50 €). Und hier gibt es McDonalds-Fahrradkuriere! Rot gekleidet, roter Fahrradhelm, quadratischer Kasten auf dem Rücken, fahren sie im Viertel telefonische Bestellungen aus. Auch noch nicht gesehen. Ich arbeite noch etwas am Rechner und schlafe später im Handumdrehen ein.
  

[giardino, Sonntag, 28. April 2013, 01:46] 924