Arschlöcher
[Dies ist ein Kommentar zu Kikis Beitrag, der so lang wurde, dass er weder dort noch auf quote.fm gepasst hätte. Bitte die Vorgeschichte lesen.]
Ich war der einzige aus meinem Stadtteil auf dem Innenstadtgymnasium, während alle anderen jeweils schon Klassenkameraden aus ihrer Grundschulzeit mitbrachten, war moppelig und unsportlich und wusste mich nicht zu wehren, verbal nicht und körperlich schon gar nicht. Die ersten anderthalb Jahre wurde ich im Pausenhof, auf den Fluren, dem Nachhauseweg und im Schulsport getriezt und gehänselt und auch wenn ich schon längst geheult habe, hörten sie nicht auf. Es waren gottseidank nur vier, fünf Jungs aus der Klasse, nicht alle, Aber es reichte, dass ich schon morgens mit Bauchschmerzen zur Schule fuhr und mir täglich wünschte, nicht mehr dorthin zu müssen.
Es fällt mir schwer, heute auch nur darüber nachzudenken. Zum einen, weil ich diese Zeit wohl tatsächlich gut überstanden habe, sie mich nicht verfolgt und langsam verblasst. Zum Teil sind aber auch heute noch Ängste damit verbunden, mit denen ich mich nicht gerne auseinandersetze; körperlichen Angriffen hätte ich nach wie vor nichts entgegenzusetzen, Unbarmherzigkeit löst bei mir Gefühle von Wut und Ohnmacht aus, und wer wird schon gerne an seine eigene Schwächlichkeit erinnert.
Meine Rettung war, dass sich irgendwann nach einem besonders schlimmen Tag, an dem ich mich in Tränen aufgelöst weigerte, auch nur in den Bus zu steigen, der uns zum Schwimmunterricht bringen sollte, irgendein Schalter in mir umgelegt hatte. Ganz tief steckt in mir unter aller tendenziellen Weinerlichkeit und Opferhaltung eine Kraft, so eine Art Grundtrotz, die wenn es ganz schlimm wird, hervorbricht: Verdammt, ich habe nicht verdient, dass man so mit mir umgeht. (Etwas, das zwanzig Jahre später auch den Ausstieg aus meiner ersten Ehe einleiten sollte.) Irgendwie lernte ich wohl in Folge, mich nicht mehr provozieren zu lassen, die Arschlöcher verbal auf Abstand zu halten und mich nicht mehr auf ihre Ebene zu begeben. Ich suchte mir einen neutralen Fleck aus, bekam ein dickes Fell, wurde irgendwann sowohl von der Gruppe der Meinungsführer in der Klasse respektiert bzw. in Ruhe gelassen als auch von den Außenseitern, ohne mich bei irgendwem anzubiedern. Ich war die Schweiz. Zugute kam mir natürlich auch, dass körperliche und sportliche Überlegenheit für das Ansehen unter den Gleichaltrigen mit der Zeit immer unwichtiger wurden. Freunde hatte ich in dieser Klasse allerdings in der gesamten Schulzeit nicht, und erst meine Tourneen mit dem italienischen Chor zeigten mir irgendwann mit 17, dass das verdammt nochmal nicht an mir lag.
Wenn ich lese, was Kiki widerfahren ist, kann ich heute von Glück sagen, bei weitem nicht so schlimm und nur so kurze Zeit betroffen gewesen zu sein.
Vor neun Jahren zum 15jährigen Abijubiläum habe ich die meisten wiedergesehen. Die Schlimmsten von früher waren immer noch die gleichen, gehässigen, armseligen Arschlöcher; ich zweifle kein bisschen, dass sie auch heute noch ohne zu zögern auf Schwache eintreten, wenn sie eine straffreie Gelegenheit bekommen. Zu sehen dass ihr Leben – aus meiner Sicht, und hier bin ich gerne arrogant – eine eher traurige Veranstaltung war und sie in jeglicher Hinsicht auf dem Niveau aus Schulzeiten stehengeblieben zu sein schienen, war allerdings keine Genugtuung.
Dass jeder Fehler macht und vermutlich auch irgendwann andere in der Vergangenheit schlecht behandelt hat – geschenkt. Habe ich auch, und ich schäme mich deswegen. Aber sich damit zu brüsten ist armselig. Es ist, wie Anne sehr richtig kommentierte: »Der Aufruf geht in die Richtung 'Kommt, sagt auch, was ihr für Arschlöcher wart, damit ich mich nicht so schlecht fühlen muss, denn wir waren doch alle so'.«
Ich sage: Schade genug, wenn ihr euer früheres Arschlochtum nicht so richtig bereuen könnt, geschweige denn dafür um Verzeihung bitten. Aber schiebt die Reste eures schlechten Gewissens nicht noch Anderen in die Schuhe.
Ich war der einzige aus meinem Stadtteil auf dem Innenstadtgymnasium, während alle anderen jeweils schon Klassenkameraden aus ihrer Grundschulzeit mitbrachten, war moppelig und unsportlich und wusste mich nicht zu wehren, verbal nicht und körperlich schon gar nicht. Die ersten anderthalb Jahre wurde ich im Pausenhof, auf den Fluren, dem Nachhauseweg und im Schulsport getriezt und gehänselt und auch wenn ich schon längst geheult habe, hörten sie nicht auf. Es waren gottseidank nur vier, fünf Jungs aus der Klasse, nicht alle, Aber es reichte, dass ich schon morgens mit Bauchschmerzen zur Schule fuhr und mir täglich wünschte, nicht mehr dorthin zu müssen.
Es fällt mir schwer, heute auch nur darüber nachzudenken. Zum einen, weil ich diese Zeit wohl tatsächlich gut überstanden habe, sie mich nicht verfolgt und langsam verblasst. Zum Teil sind aber auch heute noch Ängste damit verbunden, mit denen ich mich nicht gerne auseinandersetze; körperlichen Angriffen hätte ich nach wie vor nichts entgegenzusetzen, Unbarmherzigkeit löst bei mir Gefühle von Wut und Ohnmacht aus, und wer wird schon gerne an seine eigene Schwächlichkeit erinnert.
Meine Rettung war, dass sich irgendwann nach einem besonders schlimmen Tag, an dem ich mich in Tränen aufgelöst weigerte, auch nur in den Bus zu steigen, der uns zum Schwimmunterricht bringen sollte, irgendein Schalter in mir umgelegt hatte. Ganz tief steckt in mir unter aller tendenziellen Weinerlichkeit und Opferhaltung eine Kraft, so eine Art Grundtrotz, die wenn es ganz schlimm wird, hervorbricht: Verdammt, ich habe nicht verdient, dass man so mit mir umgeht. (Etwas, das zwanzig Jahre später auch den Ausstieg aus meiner ersten Ehe einleiten sollte.) Irgendwie lernte ich wohl in Folge, mich nicht mehr provozieren zu lassen, die Arschlöcher verbal auf Abstand zu halten und mich nicht mehr auf ihre Ebene zu begeben. Ich suchte mir einen neutralen Fleck aus, bekam ein dickes Fell, wurde irgendwann sowohl von der Gruppe der Meinungsführer in der Klasse respektiert bzw. in Ruhe gelassen als auch von den Außenseitern, ohne mich bei irgendwem anzubiedern. Ich war die Schweiz. Zugute kam mir natürlich auch, dass körperliche und sportliche Überlegenheit für das Ansehen unter den Gleichaltrigen mit der Zeit immer unwichtiger wurden. Freunde hatte ich in dieser Klasse allerdings in der gesamten Schulzeit nicht, und erst meine Tourneen mit dem italienischen Chor zeigten mir irgendwann mit 17, dass das verdammt nochmal nicht an mir lag.
Wenn ich lese, was Kiki widerfahren ist, kann ich heute von Glück sagen, bei weitem nicht so schlimm und nur so kurze Zeit betroffen gewesen zu sein.
Vor neun Jahren zum 15jährigen Abijubiläum habe ich die meisten wiedergesehen. Die Schlimmsten von früher waren immer noch die gleichen, gehässigen, armseligen Arschlöcher; ich zweifle kein bisschen, dass sie auch heute noch ohne zu zögern auf Schwache eintreten, wenn sie eine straffreie Gelegenheit bekommen. Zu sehen dass ihr Leben – aus meiner Sicht, und hier bin ich gerne arrogant – eine eher traurige Veranstaltung war und sie in jeglicher Hinsicht auf dem Niveau aus Schulzeiten stehengeblieben zu sein schienen, war allerdings keine Genugtuung.
Dass jeder Fehler macht und vermutlich auch irgendwann andere in der Vergangenheit schlecht behandelt hat – geschenkt. Habe ich auch, und ich schäme mich deswegen. Aber sich damit zu brüsten ist armselig. Es ist, wie Anne sehr richtig kommentierte: »Der Aufruf geht in die Richtung 'Kommt, sagt auch, was ihr für Arschlöcher wart, damit ich mich nicht so schlecht fühlen muss, denn wir waren doch alle so'.«
Ich sage: Schade genug, wenn ihr euer früheres Arschlochtum nicht so richtig bereuen könnt, geschweige denn dafür um Verzeihung bitten. Aber schiebt die Reste eures schlechten Gewissens nicht noch Anderen in die Schuhe.
[giardino, Freitag, 7. Juni 2013, 12:47] 1054
Ich bin völlig fassungslos.
Ich war auch opfer, wenn auch bei weitem nicht in dem ausmaß. Ich dachte immer, heute zur schule gehen müssen, wie furchtbar. Nach euren beiträgen sieht man sehr klar, früher war es doch schon genauso schlimm. Heut gibts noch facebook dazu.
Was mich so schockt - und doch eigentlich nicht - dass die täter bis heute nichts aber auch gar nichts begriffen haben. Sich damit heute noch aufspielen, unter dem widerlichen, besudelten deckmantel des um vergebung bittens bzw. des sich eigentlich damit brüstens, schaut wie ehrlich ich bin, ich zeig euch meine schwärzeste seite, andere machen das nicht. Meine fresse, arbeitet doch lieber an eurer netten seite, macht euch klar wie scheisse euer verhalten war (oder ist), anstatt zu meinen, hey ich blogge ehrlich, ich bin ein superheld. Ehrlich bloggen geht sowas von anders.
Was für ...
Ich denke gerade an ein mittagessen bei der arbeit zurück, in dem es um mobbing und schule ging und ich dann einwarf, dass es das überall, in jeder klasse gab. Es immer mindestens einen gab, der ausgegrenzt war. Mich schauten drei leute verwirrt an und sagten, ne, das gabs bei uns nich, wir waren immer eine gemeinschaft. Da wusst ich, entweder sitz ich gerad tätern oder wegsehern gegenüber. Und hab das thema fallen lassen.
Heute noch. Ich verstehs nich, wirklich.
Ich war auch opfer, wenn auch bei weitem nicht in dem ausmaß. Ich dachte immer, heute zur schule gehen müssen, wie furchtbar. Nach euren beiträgen sieht man sehr klar, früher war es doch schon genauso schlimm. Heut gibts noch facebook dazu.
Was mich so schockt - und doch eigentlich nicht - dass die täter bis heute nichts aber auch gar nichts begriffen haben. Sich damit heute noch aufspielen, unter dem widerlichen, besudelten deckmantel des um vergebung bittens bzw. des sich eigentlich damit brüstens, schaut wie ehrlich ich bin, ich zeig euch meine schwärzeste seite, andere machen das nicht. Meine fresse, arbeitet doch lieber an eurer netten seite, macht euch klar wie scheisse euer verhalten war (oder ist), anstatt zu meinen, hey ich blogge ehrlich, ich bin ein superheld. Ehrlich bloggen geht sowas von anders.
Was für ...
Ich denke gerade an ein mittagessen bei der arbeit zurück, in dem es um mobbing und schule ging und ich dann einwarf, dass es das überall, in jeder klasse gab. Es immer mindestens einen gab, der ausgegrenzt war. Mich schauten drei leute verwirrt an und sagten, ne, das gabs bei uns nich, wir waren immer eine gemeinschaft. Da wusst ich, entweder sitz ich gerad tätern oder wegsehern gegenüber. Und hab das thema fallen lassen.
Heute noch. Ich verstehs nich, wirklich.

