Dienstag, 12. Februar 2013
Und dann gehe ich heute zum ersten Mal seit dem Sommer wieder zur Probe, nachdem ich mich nach 8 Jahren mal ein Weilchen ausklinken musste, weil die Singerei nur noch körperlich anstrengend und ich bei fast jeder Probe frustriert über meinen unzureichenden Atem und Stimmkontrolle war, und montagabends immer schon ganz schön groggy von der Arbeit dort ankam. Ich tauche also nach einem halben Jahr mal wieder auf, nach meinem ersten Tag im Büro seit dem Beinbruch, dadurch auch einen Monat später als eigentlich geplant, leicht erkältet, mit einer Stimme, die in der Zwischenzeit noch kein bisschen besser geworden war, und ich komme rein und die anderen sechs freuen sich total, strahlen mich an, einer hat ein Fläschchen Sekt und Gläser mitgebracht, wegen mir, wir stoßen an, und dann singen wir unsere Renaissancemusik wie immer und ich bin so froh, dort zu sein, dabei zu sein und mit den anderen singen zu dürfen, auch mit unzureichender Stimme und Atem und achistdochvölligegal, das hat mir gefehlt.

[giardino, 00:18] Permalink (1 Kommentar) 306



Nochmal kurz zum Papst. Sorry.
(Aber eigentlich geht es hier nur oberflächlich um ihn.)

Es sind sicher nicht Wenige, die es für richtig, vernünftig und weise halten, wenn jemand aus Alters- und Gesundheitsgründen von einem Amt zurücktritt. Ist ja auch was dran, wenn es um Ämter mit Verantwortung und Einfluss geht.

Ich teile diese Ansicht trotzdem nicht vollständig, vor allem nicht bei einem Papst. Es ging bei diesem Amt ja nicht um eine demokratische Wahl mit Verfallsdatum oder eine übertragene Aufgabe mit festen Arbeitspaketen, die man wieder abgibt*, sondern um ein Amt in der Nachfolge Christi. Eine Lebensaufgabe, für die man wohl getrost allen Segen und Kraft Gottes erwarten darf, wenn man diesen Glauben ernst nimmt (was man bei Papstanwärtern wohl voraussetzen darf). Auch wenn's schwerer wird.

Aber ich will nicht die persönliche, bestimmt nicht leichtfertige, sondern aus Verantwortungsbewusstsein gefällte Entscheidung des Hrn. Ratzinger kritisieren, zumal ich nicht die Gründe kenne. Persönliche Gewissensentscheidungen sind persönliche Gewissensentscheidungen, da verbieten sich Verurteilungen ohnehin.

Ich möchte an dieser Stelle an etwas anderes erinnern. Ich war wirklich kein Fan von Johannes Paul II. (genausowenig wie von Benedikt XVI), aber mit seiner bewussten Entscheidung, zum Ende hin trotz zunehmender Parkinson-Erkrankung nicht abzutreten und sich weiterhin öffentlich zu zeigen, hat er mich beeindruckt.

Warum? In unserer Gesellschaft wird der nach ihren Maßstäben funktionierende, körperlich und geistig leistungsfähige Mensch gefeiert. Wer dagegen krank ist, behindert, dement, sonstwie mit äußerlichen oder psychischen Makeln behaftet, möge bitte aus dem Blickfeld verschwinden. Auf Hilfe angewiesen sein – womöglich bis zum Lebensende – scheint dabei für Viele eine der schlimmsten Vorstellungen überhaupt zu sein; ich bin immer wieder erschreckt, wie leicht Leute sagen, sie würden sich lieber umbringen, bevor sie sich anderen (und sich selbst) das zumuteten.

Johannes Paul II. hat dem etwas entgegengesetzt: Das Bild eines Menschen, der alt wird, hilfsbedürftig und zunehmend kraftloser. So wie es vermutlich einem großen Teil von uns selbst ergehen wird. Der dadurch aber nicht eine Unze seiner Würde verloren hat. So wie niemand seine Würde verliert. Und ich bin sicher, das war nicht ganz einfach, da waren bestimmt viele um ihn herum, die – natürlich nur zu seinem Besten – darauf gedrängt haben, dass er in irgendeinem wunderschönen italienischen Kloster abseits der Öffentlichkeit gepflegt wird, während irgendein Nachfolger schon wieder forsch am Steuerrad der großen Kirche dreht.

So wenig er vermutlich noch in der Lage war, schwierige Amtsgeschäfte zu führen (ich denke, das haben andere um ihn herum besser erledigt), so wichtig war er für das Amt mit der Botschaft: Es ist nicht schlimm, Hilfe zu brauchen. Es ist nicht schlimm, schwach zu sein. All das gehört zum Leben, man muss es tragen und darf nicht wegschauen. Das fand ich ein starkes Zeichen.


*: was offenbar zuvor in der 2000jährigen Geschichte der Kirche auch nur ein Papst aus freien Stücken getan hat

[giardino, 20:13] Permalink (3 Kommentare) 391



Samstag, 9. Februar 2013
Geben. Hören. Sagen.
In der Mittelstufe fing es an. In der von allen nur Milchbar genannten Bude, einem vom Schulhof zugänglichen Raum mit ein paar Tischen und einer Theke, hinter der das Hausmeisterehepaar neben tetraverpackter Milch auch Kaffee, belegte Brötchen und Süßigkeiten verkaufte, trafen wir uns in Freistunden und spielten Karten.

In den ersten Monaten, in denen ich dabei war, spielten wir immer nur Ramsch, eine Skatvariante, bei der man keinen oder möglichst wenige Stiche machen muss (oder aber restlos alle). Später gingen wir irgendwann über zum vollständigen Skat, während wir in den letzten zwei Jahren der Oberstufe nur noch Doppelkopf kloppten – und Skat freilich auch noch, wenn wir keinen Vierten fanden, der sich zu einer, ähm, spontanen Freistunde überreden ließ.

Später erst stellte ich fest, dass sowohl mein Vater, mein großer Bruder (der aber nur noch sporadisch zuhause war) als auch mein Opa Skat beherrschten, und es gab manchen Abend, an dem wir uns bis tief in die Nacht hinein am Tisch festspielten. Wobei uns mein Opa meist gnadenlos abzockte. Er schien bei jedem Stich exakt zu wissen, welche Karten noch nicht gespielt waren und konnte teilweise nach dem Reizen schon genau vorhersagen, wieviele Punkte er machen würde. Unglaublich.

Als ich hierher nach Mittelfranken kam, war Schluss mit anspruchsvollem Kartenspiel, zumindest fanden sich unter meinen (prinzipiell von überall her zusammengewürfelten) Kommilitonen nie zwei oder gar drei Gleichgesinnte, um loszulegen. Wenn überhaupt, konnten die Leute Schafkopf, was ich als eine deutlich spannungs- und variantenärmere Variante von Doppelkopf empfinde, zumal es mit diesem deutschen Blatt (Schelle und Eichel, Ober und Unter usw.) gespielt wird, gegen das ich schon als Kind eine unerklärliche, geradezu körperliche Abneigung gepflegt habe. So beschränkten sich meine Kartenspiele der letzten zwanzig Jahre im Wesentlichen auf Patiencen oder Uno.

Aber wie geht dieser T-Shirt-Spruch? Wenn man neue Leute kennen lernen will, muss man ab einem gewissen Alter welche gebären. Ganz in diesem Sinne habe ich heute angefangen, meinen 13 und 15 Jahre alten Söhnen, die nicht weit von Regensburg wohnen, Skat beizubringen. Für den Einstieg natürlich erst einmal schlicht, nur Farbensoli. Alles Weitere wie Nullspiel, Grand – nur echt als Grang – und die ganzen Spielstufen Hand, Ouvert, Schneider, schwarz, das können wir alles später noch lernen (lies: muss ich selbst erst dringend nochmal nachlesen). Aber: hey, sie sind schon total begeistert. Und ich auch. War das ein Spaß!

Jetzt muss ich nur noch einen Plan ausarbeiten, wie ich auch die Möwe in die Sache ziehe, dann könnten wir am Ende womöglich sogar noch Doppelkopfen, und einer subtilen, fortschreitenden Nordrheinwestfalisierung der Oberpfalz stünde nichts mehr im Wege.

[giardino, 21:43] Permalink (11 Kommentare) 498