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Samstag, 13. Juli 2013
Island

Was für ein Land! Zwei Wochen lang sind wir rund um die Insel gefahren, haben den kleinen Mietwagen 2832 Kilometer bewegt, atemberaubende Landschaften in grünbraungraublau und schwarzweiß gesehen, Berge und Meer (ganz oft zusammen), Vulkane und Gletscher, heiße Schwefelquellen und Eisberge, sind durch lebensferne Mondlandschaften gefahren, saftige, pferdebestandene Wiesen und über schneebedeckte Pässe, entlang menschenleerster Fjorde und durch Reykjaviker Stadtverkehr, standen inmitten kompletter, kilometerweiter Lavaödnis, an umschwirrten Brutvogelfelsen oder dröhnenden Wasserfällen, saßen im T-Shirt in der Sonne oder liefen in voller Montur durch eisigen Wind und manchmal Regen, haben uns unter freiem Himmel in heißen Schwimmbecken geaalt, uns ein wenig mit den freundlichen Einheimischen unterhalten oder mit Touristen, denen wir an verschiedenen Orten wieder begegneten, wurden von brütenden Seeschwalben attackiert, haben hunderte Fotos geschossen, jede Menge noch nie zuvor gesehener Vögel beobachtet, Seehunde gesehen, uns tagsüber mit heißem Tee und Broten verpflegt und abends in Jugendherbergen gekocht, nachts zum Schlafen die Rollos runtergelassen, fast täglich müde gelaufen und Farbe bekommen. War das eine Reise!

[giardino, 01:20] Permalink (7 Kommentare) 1046
Freitag, 7. Juni 2013
Arschlöcher
[Dies ist ein Kommentar zu Kikis Beitrag, der so lang wurde, dass er weder dort noch auf quote.fm gepasst hätte. Bitte die Vorgeschichte lesen.]
Ich war der einzige aus meinem Stadtteil auf dem Innenstadtgymnasium, während alle anderen jeweils schon Klassenkameraden aus ihrer Grundschulzeit mitbrachten, war moppelig und unsportlich und wusste mich nicht zu wehren, verbal nicht und körperlich schon gar nicht. Die ersten anderthalb Jahre wurde ich im Pausenhof, auf den Fluren, dem Nachhauseweg und im Schulsport getriezt und gehänselt und auch wenn ich schon längst geheult habe, hörten sie nicht auf. Es waren gottseidank nur vier, fünf Jungs aus der Klasse, nicht alle, Aber es reichte, dass ich schon morgens mit Bauchschmerzen zur Schule fuhr und mir täglich wünschte, nicht mehr dorthin zu müssen.
Es fällt mir schwer, heute auch nur darüber nachzudenken. Zum einen, weil ich diese Zeit wohl tatsächlich gut überstanden habe, sie mich nicht verfolgt und langsam verblasst. Zum Teil sind aber auch heute noch Ängste damit verbunden, mit denen ich mich nicht gerne auseinandersetze; körperlichen Angriffen hätte ich nach wie vor nichts entgegenzusetzen, Unbarmherzigkeit löst bei mir Gefühle von Wut und Ohnmacht aus, und wer wird schon gerne an seine eigene Schwächlichkeit erinnert.
Meine Rettung war, dass sich irgendwann nach einem besonders schlimmen Tag, an dem ich mich in Tränen aufgelöst weigerte, auch nur in den Bus zu steigen, der uns zum Schwimmunterricht bringen sollte, irgendein Schalter in mir umgelegt hatte. Ganz tief steckt in mir unter aller tendenziellen Weinerlichkeit und Opferhaltung eine Kraft, so eine Art Grundtrotz, die wenn es ganz schlimm wird, hervorbricht: Verdammt, ich habe nicht verdient, dass man so mit mir umgeht. (Etwas, das zwanzig Jahre später auch den Ausstieg aus meiner ersten Ehe einleiten sollte.) Irgendwie lernte ich wohl in Folge, mich nicht mehr provozieren zu lassen, die Arschlöcher verbal auf Abstand zu halten und mich nicht mehr auf ihre Ebene zu begeben. Ich suchte mir einen neutralen Fleck aus, bekam ein dickes Fell, wurde irgendwann sowohl von der Gruppe der Meinungsführer in der Klasse respektiert bzw. in Ruhe gelassen als auch von den Außenseitern, ohne mich bei irgendwem anzubiedern. Ich war die Schweiz. Zugute kam mir natürlich auch, dass körperliche und sportliche Überlegenheit für das Ansehen unter den Gleichaltrigen mit der Zeit immer unwichtiger wurden. Freunde hatte ich in dieser Klasse allerdings in der gesamten Schulzeit nicht, und erst meine Tourneen mit dem italienischen Chor zeigten mir irgendwann mit 17, dass das verdammt nochmal nicht an mir lag.
Wenn ich lese, was Kiki widerfahren ist, kann ich heute von Glück sagen, bei weitem nicht so schlimm und nur so kurze Zeit betroffen gewesen zu sein.
Vor neun Jahren zum 15jährigen Abijubiläum habe ich die meisten wiedergesehen. Die Schlimmsten von früher waren immer noch die gleichen, gehässigen, armseligen Arschlöcher; ich zweifle kein bisschen, dass sie auch heute noch ohne zu zögern auf Schwache eintreten, wenn sie eine straffreie Gelegenheit bekommen. Zu sehen dass ihr Leben – aus meiner Sicht, und hier bin ich gerne arrogant – eine eher traurige Veranstaltung war und sie in jeglicher Hinsicht auf dem Niveau aus Schulzeiten stehengeblieben zu sein schienen, war allerdings keine Genugtuung.
Dass jeder Fehler macht und vermutlich auch irgendwann andere in der Vergangenheit schlecht behandelt hat – geschenkt. Habe ich auch, und ich schäme mich deswegen. Aber sich damit zu brüsten ist armselig. Es ist, wie Anne sehr richtig kommentierte: »Der Aufruf geht in die Richtung 'Kommt, sagt auch, was ihr für Arschlöcher wart, damit ich mich nicht so schlecht fühlen muss, denn wir waren doch alle so'.«
Ich sage: Schade genug, wenn ihr euer früheres Arschlochtum nicht so richtig bereuen könnt, geschweige denn dafür um Verzeihung bitten. Aber schiebt die Reste eures schlechten Gewissens nicht noch Anderen in die Schuhe.
Ich war der einzige aus meinem Stadtteil auf dem Innenstadtgymnasium, während alle anderen jeweils schon Klassenkameraden aus ihrer Grundschulzeit mitbrachten, war moppelig und unsportlich und wusste mich nicht zu wehren, verbal nicht und körperlich schon gar nicht. Die ersten anderthalb Jahre wurde ich im Pausenhof, auf den Fluren, dem Nachhauseweg und im Schulsport getriezt und gehänselt und auch wenn ich schon längst geheult habe, hörten sie nicht auf. Es waren gottseidank nur vier, fünf Jungs aus der Klasse, nicht alle, Aber es reichte, dass ich schon morgens mit Bauchschmerzen zur Schule fuhr und mir täglich wünschte, nicht mehr dorthin zu müssen.
Es fällt mir schwer, heute auch nur darüber nachzudenken. Zum einen, weil ich diese Zeit wohl tatsächlich gut überstanden habe, sie mich nicht verfolgt und langsam verblasst. Zum Teil sind aber auch heute noch Ängste damit verbunden, mit denen ich mich nicht gerne auseinandersetze; körperlichen Angriffen hätte ich nach wie vor nichts entgegenzusetzen, Unbarmherzigkeit löst bei mir Gefühle von Wut und Ohnmacht aus, und wer wird schon gerne an seine eigene Schwächlichkeit erinnert.
Meine Rettung war, dass sich irgendwann nach einem besonders schlimmen Tag, an dem ich mich in Tränen aufgelöst weigerte, auch nur in den Bus zu steigen, der uns zum Schwimmunterricht bringen sollte, irgendein Schalter in mir umgelegt hatte. Ganz tief steckt in mir unter aller tendenziellen Weinerlichkeit und Opferhaltung eine Kraft, so eine Art Grundtrotz, die wenn es ganz schlimm wird, hervorbricht: Verdammt, ich habe nicht verdient, dass man so mit mir umgeht. (Etwas, das zwanzig Jahre später auch den Ausstieg aus meiner ersten Ehe einleiten sollte.) Irgendwie lernte ich wohl in Folge, mich nicht mehr provozieren zu lassen, die Arschlöcher verbal auf Abstand zu halten und mich nicht mehr auf ihre Ebene zu begeben. Ich suchte mir einen neutralen Fleck aus, bekam ein dickes Fell, wurde irgendwann sowohl von der Gruppe der Meinungsführer in der Klasse respektiert bzw. in Ruhe gelassen als auch von den Außenseitern, ohne mich bei irgendwem anzubiedern. Ich war die Schweiz. Zugute kam mir natürlich auch, dass körperliche und sportliche Überlegenheit für das Ansehen unter den Gleichaltrigen mit der Zeit immer unwichtiger wurden. Freunde hatte ich in dieser Klasse allerdings in der gesamten Schulzeit nicht, und erst meine Tourneen mit dem italienischen Chor zeigten mir irgendwann mit 17, dass das verdammt nochmal nicht an mir lag.
Wenn ich lese, was Kiki widerfahren ist, kann ich heute von Glück sagen, bei weitem nicht so schlimm und nur so kurze Zeit betroffen gewesen zu sein.
Vor neun Jahren zum 15jährigen Abijubiläum habe ich die meisten wiedergesehen. Die Schlimmsten von früher waren immer noch die gleichen, gehässigen, armseligen Arschlöcher; ich zweifle kein bisschen, dass sie auch heute noch ohne zu zögern auf Schwache eintreten, wenn sie eine straffreie Gelegenheit bekommen. Zu sehen dass ihr Leben – aus meiner Sicht, und hier bin ich gerne arrogant – eine eher traurige Veranstaltung war und sie in jeglicher Hinsicht auf dem Niveau aus Schulzeiten stehengeblieben zu sein schienen, war allerdings keine Genugtuung.
Dass jeder Fehler macht und vermutlich auch irgendwann andere in der Vergangenheit schlecht behandelt hat – geschenkt. Habe ich auch, und ich schäme mich deswegen. Aber sich damit zu brüsten ist armselig. Es ist, wie Anne sehr richtig kommentierte: »Der Aufruf geht in die Richtung 'Kommt, sagt auch, was ihr für Arschlöcher wart, damit ich mich nicht so schlecht fühlen muss, denn wir waren doch alle so'.«
Ich sage: Schade genug, wenn ihr euer früheres Arschlochtum nicht so richtig bereuen könnt, geschweige denn dafür um Verzeihung bitten. Aber schiebt die Reste eures schlechten Gewissens nicht noch Anderen in die Schuhe.
[giardino, 12:47] Permalink (1 Kommentar) 1054
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