Eine Woche China: Shenzhen (Tag 1)
Montag
Nach einem ganzen Arbeitstag am Montag abends für eine Stunde nach Hause und anschließend gleich zum Flughafen. Einer meiner besten Freunde aus Studientagen und zudem China-erfahrener Kollege fliegt auch und wird mir in den nächsten zwei Tagen geduldig ein wenig die praktischen Dinge wie Reisen, Taxifahren, Essen bestellen usw. näherbringen, worüber ich ganz froh bin, denn China ist mit Abstand das fremdeste und entfernteste Reiseziel, was ich bislang hatte.
In München kurz vor Mitternacht Abflug nach Hongkong, 11 Stunden Flug, Economy. Ich schlafe schlecht, um nicht zu sagen praktisch gar nicht. Positiv gesehen komme ich endlich dazu, im Bordprogramm noch nicht gesehene Filme nachzuholen. Skyfall zum Beispiel (schlechter als erwartet, trotz vieler ironischer Elemente – beknackte Story, und der Typ homosexuell angehauchter, vermutlich irgendwie französisch wirken sollender Bösewichte mit Julian-Assange-Gedächtnisfrisuren ermüdet mich mittlerweile), den Hobbit (besser als befürchtet, trotz Überlänge und reichlich Actiongewirbel – irgendwie wie ein Wiedersehen mit alten Freunden plus ein paar neuen) und Oh Boy (trotz wenig Handlung netter und gut gespielter Loser-Film, wäre was fürs zdf.neo-Spätprogramm).
Der Flug geht über das schwarze und das kaspische Meer, den Aralsee – wieviel Strecke das ist, wieviel endloses Land. Über der tibetischen Hochebene öffne ich das Rollo und sehe über hunderte Kilometer nur auf trockene, unbewohnte (und vermutlich ebenso unbewohnbare) Berglandschaften. Eine erste Ahnung von der unfassbaren Größe Chinas.
Im Dunkeln kommt die Stewardess mit gefüllten Getränkebechern vorbei, ich nehme ein Wasser und wecke meinen Nachbarn, indem ich mit dem Unterarm einen Becher Orangensaft mitnehme und über ihn schütte. Wie peinlich! Doch er bleibt total entspannt, tupft ein wenig rum und meint freundlich, halb so wild, seiner Hose wäre das eh schon egal und macht wieder die Augen zu. Wow.
Dienstag nachmittag Ortszeit kommen wir in Hongkong an. Wir bleiben am Flughafen, von wo aus man direkt mit der Fähre nach Shenzhen fahren kann, unserem Ziel. Man muss sogar nicht einmal das Gepäck aus- und wieder einchecken, man gibt sein Gepäck-Tag einfach am Fährschalter ab und bekommt den Koffer später nach Ankunft mit dem Boot auf dem Festland. Auf dem Flughafen Hongkong erstmals Menschen mit Atemmasken gesehen, wie man sie aus den Nachrichten kennt. Angesichts der vor kurzem erst aufgetretenen neuen Form der Vogelgrippe in Shanghai jedoch viel weniger als erwartet, was später auch in Shanghai selbst so sein sollte.
Die chinesische Passkontrolle ist easy, jedenfalls reibungsloser als der amerikanische immigration check. Am Schalter wie auch schon in Hongkong Hinweise auf eine aktuelle Einfuhrbeschränkung für irgendein Pulver. Erst ein paar Tage später begriffen, dass es um Milchpulver geht; nachdem es in China unlängst einen Skandal mit verunreinigtem Milchpulver gab, scheinen findige Händler derzeit alle Bestände in Europa aufzukaufen, um sie teuer in China zu verticken, wo man europäischen Produkten wohl mehr vertraut.
Es ist warm und die Luft sehr feucht. Wir stehen über eine halbe Stunde am Taxistand Schlange, schließlich im frühen Abenddunkel im Fahrtwind der runtergelassenen Fenster die erste Fahrt durch eine fremde Welt und den leicht chaotischen Verkehr mit viel Gehupe. Eine halbe Stunde fahren wir quer durch die Stadt zwischen unzähligen Hochhäusern, die ein wenig schicker und nicht ganz so verdichtet daherkommen wie die Wohnsilos Hongkongs. (Fotobandempfehlung am Rande: Michael Wolf, Architecture of Density)
Shenzhen (sprich: Schenschenn, mit weichem sch in der Mitte wie im Wort Garage) ist eine der irrwitzig explodierten Städte Chinas. Vor dreißig Jahren lebten im Fischerörtchen samt Landkreis rund 30.000 Menschen. Dann beschloss man, eine Sonderwirtschaftszone zu errichten, vor allem wegen der direkten Nachbarschaft zum Wirtschaftsriesen Hongkong, und heute leben hier mehr als 10 Millionen Menschen. Vor allem die Elektronikindustrie mit Konzernen wie Huawei und Foxconn hat sich angesiedelt und man kann mit Sicherheit behaupten, dass wir alle irgendwelche Gegenstände besitzen, in denen hier produzierte Bauteile stecken. Von ganzen Produkten, die hier produziert werden (für Apple beispielsweise) ganz abgesehen.
Im Hotel angekommen essen wir im kleinen Restaurant zu Abend, ich nehme Bandnudeln mit Ingwer und Rindfleisch. Eigentlich mein erstes echtes Essen mit Stäbchen (meine wenigen, jämmerlichen Versuche in chinesischen Restaurants in Deutschland zähle ich mal nicht). Klappt. Anschließend ziehe ich in der Bank gegenüber chinesisches Bargeld.
In der Hotellobby steht ein Automat, der anbietet, was man so braucht - z. B. Zigaretten, Schokoriegel, einen Rasierer. Oder doch lieber eine Tüte Hühnerfüße zum Knabbern?
Ich schaue noch eine Weile aus meinem Hotelfenster im 16. Stock, bevor ich mich hinlege.
Nach einem ganzen Arbeitstag am Montag abends für eine Stunde nach Hause und anschließend gleich zum Flughafen. Einer meiner besten Freunde aus Studientagen und zudem China-erfahrener Kollege fliegt auch und wird mir in den nächsten zwei Tagen geduldig ein wenig die praktischen Dinge wie Reisen, Taxifahren, Essen bestellen usw. näherbringen, worüber ich ganz froh bin, denn China ist mit Abstand das fremdeste und entfernteste Reiseziel, was ich bislang hatte.
In München kurz vor Mitternacht Abflug nach Hongkong, 11 Stunden Flug, Economy. Ich schlafe schlecht, um nicht zu sagen praktisch gar nicht. Positiv gesehen komme ich endlich dazu, im Bordprogramm noch nicht gesehene Filme nachzuholen. Skyfall zum Beispiel (schlechter als erwartet, trotz vieler ironischer Elemente – beknackte Story, und der Typ homosexuell angehauchter, vermutlich irgendwie französisch wirken sollender Bösewichte mit Julian-Assange-Gedächtnisfrisuren ermüdet mich mittlerweile), den Hobbit (besser als befürchtet, trotz Überlänge und reichlich Actiongewirbel – irgendwie wie ein Wiedersehen mit alten Freunden plus ein paar neuen) und Oh Boy (trotz wenig Handlung netter und gut gespielter Loser-Film, wäre was fürs zdf.neo-Spätprogramm).
Der Flug geht über das schwarze und das kaspische Meer, den Aralsee – wieviel Strecke das ist, wieviel endloses Land. Über der tibetischen Hochebene öffne ich das Rollo und sehe über hunderte Kilometer nur auf trockene, unbewohnte (und vermutlich ebenso unbewohnbare) Berglandschaften. Eine erste Ahnung von der unfassbaren Größe Chinas.
Dienstag nachmittag Ortszeit kommen wir in Hongkong an. Wir bleiben am Flughafen, von wo aus man direkt mit der Fähre nach Shenzhen fahren kann, unserem Ziel. Man muss sogar nicht einmal das Gepäck aus- und wieder einchecken, man gibt sein Gepäck-Tag einfach am Fährschalter ab und bekommt den Koffer später nach Ankunft mit dem Boot auf dem Festland. Auf dem Flughafen Hongkong erstmals Menschen mit Atemmasken gesehen, wie man sie aus den Nachrichten kennt. Angesichts der vor kurzem erst aufgetretenen neuen Form der Vogelgrippe in Shanghai jedoch viel weniger als erwartet, was später auch in Shanghai selbst so sein sollte.
Die chinesische Passkontrolle ist easy, jedenfalls reibungsloser als der amerikanische immigration check. Am Schalter wie auch schon in Hongkong Hinweise auf eine aktuelle Einfuhrbeschränkung für irgendein Pulver. Erst ein paar Tage später begriffen, dass es um Milchpulver geht; nachdem es in China unlängst einen Skandal mit verunreinigtem Milchpulver gab, scheinen findige Händler derzeit alle Bestände in Europa aufzukaufen, um sie teuer in China zu verticken, wo man europäischen Produkten wohl mehr vertraut.
Es ist warm und die Luft sehr feucht. Wir stehen über eine halbe Stunde am Taxistand Schlange, schließlich im frühen Abenddunkel im Fahrtwind der runtergelassenen Fenster die erste Fahrt durch eine fremde Welt und den leicht chaotischen Verkehr mit viel Gehupe. Eine halbe Stunde fahren wir quer durch die Stadt zwischen unzähligen Hochhäusern, die ein wenig schicker und nicht ganz so verdichtet daherkommen wie die Wohnsilos Hongkongs. (Fotobandempfehlung am Rande: Michael Wolf, Architecture of Density)
Shenzhen (sprich: Schenschenn, mit weichem sch in der Mitte wie im Wort Garage) ist eine der irrwitzig explodierten Städte Chinas. Vor dreißig Jahren lebten im Fischerörtchen samt Landkreis rund 30.000 Menschen. Dann beschloss man, eine Sonderwirtschaftszone zu errichten, vor allem wegen der direkten Nachbarschaft zum Wirtschaftsriesen Hongkong, und heute leben hier mehr als 10 Millionen Menschen. Vor allem die Elektronikindustrie mit Konzernen wie Huawei und Foxconn hat sich angesiedelt und man kann mit Sicherheit behaupten, dass wir alle irgendwelche Gegenstände besitzen, in denen hier produzierte Bauteile stecken. Von ganzen Produkten, die hier produziert werden (für Apple beispielsweise) ganz abgesehen.
Im Hotel angekommen essen wir im kleinen Restaurant zu Abend, ich nehme Bandnudeln mit Ingwer und Rindfleisch. Eigentlich mein erstes echtes Essen mit Stäbchen (meine wenigen, jämmerlichen Versuche in chinesischen Restaurants in Deutschland zähle ich mal nicht). Klappt. Anschließend ziehe ich in der Bank gegenüber chinesisches Bargeld.
In der Hotellobby steht ein Automat, der anbietet, was man so braucht - z. B. Zigaretten, Schokoriegel, einen Rasierer. Oder doch lieber eine Tüte Hühnerfüße zum Knabbern?
[giardino, Mittwoch, 24. April 2013, 15:00] 1215